Das heutige Bild bereitet mir Freude und Trauer zugleich.
Lass mich Dir ein besonderes Mädchen vorstellen
Sprachbarriere…
Dieses wunderschöne Mädchen!
Ich habe viele Stunden mit ihr im Shelter verbracht, habe ihr ein wenig Englisch beigebracht, Lieder gesungen oder gemalt. Sie malt gerne und richtig gut.
Gerne hätte sie mit mir geredet, das habe ich gespürt. Wie gerne hätte ich sie gefragt, „was liegt dir auf dem Herzen?„. Doch dafür reichten mein Bisaya und ihr Englisch einfach nicht aus. Wir wollten miteinander reden, doch konnten nicht.
Ihr Hintergrund
Maria Lyn, wie wir sie für diesen Beitrag nennen, kam als 14-jähriges Mädchen ins Shelter Home von IslandKids Philippines. Sie hat eine schreckliche Kindheit durchmachen müssen.
Ihre Mutter hat sich in ihrer kleinen Hütte verkauft. Es kamen immer wieder Freier in die Wohnung und das kleine Mädchen musste so einiges mit ansehen. Doch beim ansehen ist es leider nicht geblieben.
Irgendwann fing die Mutter an, auch Maria Lyn zu verkaufen. Im Beisein der Mutter wurde sie den Freiern überlassen.
Eines Tages lief sie weg, lebte auf der Straße und kämpfte sich durch. Oft geben junge Mädchen mit sexuellen Missbrauchserfahrungen sich danach freiwillig Männern hin, weil sie die Hoffnung haben, dass einer von denen sich wirklich für sie interessiert. Immer wieder werden sie fallen gelassen, auf dem Boden liegend wird auf sie getreten und gespuckt und sie werden im Dreck liegen gelassen. Traurigerweise ist das keine Metapher
Maria Lyn wurde immer wieder von der Polizei geschnappt, sie fiel negativ auf, machte Ärger.
Irgendwie kam sie dann mit 14 Jahren statt ins Gefängnis, ins Shelter Home von Island Kids. Zu dem Zeitpunkt wusste keiner, dass sie schwanger war.
Traumatische Folgen
Über die Umstände, wie es zu der Schwangerschaft kam, hat sie nie gesprochen. Auffallend war, dass sie Gabriel in den ersten Monaten seines Lebens ganz extrem von sich gestoßen hat. Sie konnte ihn nicht als ihr Kind annehmen.
Verschwunden ist diese Ablehnung nie komplett
Sie war ein 15-jähriges Kind, das überfordert mit ihrer traumatisierenden Vergangenheit war. Aus dieser Vergangenheit brachte sie ein Kind zur Welt, nennen wir ihn Elias. Ein Kind, das sie als das ihre nicht annehmen kann, bis zu dem Tag, an dem dies hier geschrieben wurde nicht.
Was macht Maria Lyn heute?
Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Blogposts ist Maria Lyn 18 Jahre alt. Drei Jahre lang hat sie Elias aufgezogen. Immer wieder hatte sie Tage, an denen sie nicht aus dem Bett gekommen ist. Um Elias hat sie sich teilweise überhaupt nicht gekümmert. Wie gut, dass im Shelter Home andere Menschen sind, die das für sie übernehmen konnten.
Maria Lyn hatte nie eine Schulbildung genossen, trotzdem wirkte sie nicht dumm. Sie war interessiert, hat von sich aus mit mir Englisch lernen wollen und verstand schnell.
Sie besuchte den ALS-Kurs. ALS steht für „alternativ Learning System“ und gibt Teenagern, die nie zur Grundschule oder Highschool gegangen sind, die Möglichkeit grundlegende schulische Kompetenzen in 2 Jahren zu lernen
Doch bevor Maria Lyn den ALS-Kurs abschließen konnte, wurde ihr alles zu eng. Sie lief weg, lerne einen Jungen kennen und ließ ihren kleinen Sohn im Shelter zurück. Es sind andere Menschen da, die sich um Elias kümmern können, doch seine Mutter ersetzen können sie ihm nicht.
Eigene Entscheidungen treffen
Maria Lyn kam einige Tage später zurück ins Shelter Home…
… um ihre Sachen zu holen und offiziell zu gehen. Sie war 18 Jahre alt, wir konnten sie nicht aufhalten
Von der Sehnsucht auf Wertschätzung geleitet
Sie gab sich wieder einem Mann hin, in der Hoffnung diesmal um ihrer selbst willen geliebt zu werden. Sie gab alles auf, zog mit dem Jungen zusammen und spülte für ein wenig Geld Geschirr in einer Kneipe. Die Schulbildung hing sie somit auch an den Nagel. Was hat sie für Perspektiven in so einer Situation?
Ich habe sie noch einmal gesehen, nachdem sie ihre Sachen im Shelter gepackt hatte. Sie sah müde und sehr, sehr dünn aus.
Das letzte, was ich von ihr gehört habe ist, dass sie wieder schwanger sei.
Eigene begrenzte Möglichkeiten
Der Gedanken an Maria Lyn verursacht ein Stechen in meinem Herzen. Sie war eines der älteren Mädels, das ich besonders ins Herz geschlossen hatte. Sie ist ein toller Mensch, offen, interessiert und lustig. Es hat Spaß gemacht mit ihr rumzuhängen.
Doch ihre Vergangenheit hat sie innerlich zerrissen. Sie konnte sie nicht richtig verarbeiten, konnte ihren Sohn nicht annehmen und musste deswegen irgendwann abhauen. Sie wusste nicht, wie sie mit ihrem eigenen Leben klarkommen soll. Dadurch hatte sie auch diese Tage, an denen sie nicht aus dem Bett gekommen ist. Traumatisierungen gehen ganz oft mit Depression einher. An diesen konnte man sie weder ansprechen noch zum Lachen bringen. Und irgendwie hat man gespürt, dass innerlich etwas brodelt.
Sie konnte sehr aggressiv werden. Aus Eifersucht ist sie mit einem Messer auf ein 3 Jahre jüngeres Mädchen aus dem Shelter Home losgegangen. Gott sei Dank waren stärkere Jungs anwesend, die sie aufhalten konnten
All das zeigt mir, wie ein wunderbarer Mensch an einer schlimmen Kindheit zugrunde gehen kann. Ich bete dafür, dass sie Freiheit findet, Heilung und Liebe in Jesus Christus.
In Gedanken sitze ich nun wieder auf der Bank vor dem Shelter Home, meinen Arm um sie gelegt und spüre, dass sie mir so vieles sagen will…
Gott, bitte pass auf sie auf!
Lies jetzt den Beitrag über Maria Lyns Sohn Elias!
Wenn Du meinen Blog oder den Einsatz auf den Philippinen gerne unterstützen möchtest, kannst du hier klicken.
Die Geschichte hat mich sehr bewegt, Julchen. Hoffen wir das Beste für sie.
Danke Jana! Manchmal ist es so schwierig aus der Ferne nur zu hoffen…