Was in Indien auf mich gewartet hat
Liebe Leser von Glaubensreise,
Mitte Januar diesen Jahres habe ich hier berichtet, was mich veranlasst hat, meine Komfortzone in Deutschland zu verlassen und für drei Monate nach Indien zu gehen.
Gedanken sammeln
Diese Zeit neigt sich dem Ende zu und daher halte ich hier inne und sammel meine Gedanken über diese Zeit.
Seit dem 31. Januar 2017 arbeite ich in einem Mädchen- und Frauenhaus, dem Life for All Center in Coimbatore.
Ziel von Life for All ist von Beginn an (Gründung 2005): Leben retten.
Die Not ist groß
Primär soll das ungeborene Leben geschützt werden, aber auch die Mütter, die ihr Baby nicht abtreiben wollen, obwohl die Familien sie dazu zwingen wollen. Schnell hat sich der Kreis von Frauen und Mädchen, die bei Life for all nach Hilfe suchten, vergrößert. So finden hier auch Frauen und Mädchen Hilfe und Zuflucht , die geschlagen, vergewaltigt, verkauft oder in die Prostitution geschickt werden.
Life for All ist eine christliche Einrichtung und daher beginnt und endet jeder Tag mit einem Gebet und Segen für alle. Zudem findet einmal wöchentlich ein Prayer Meeting statt, wo die Frauen den christlichen Glauben näher kennenlernen können.
Diese Frauen erfahren hier oft zum ersten Mal in ihrem Leben liebe- und respektvollen Umgang. Das macht sie zum Teil unsicher. Sie müssen erst lernen zu vertrauen.
Was ich hier tun kann
Meine Aufgabe besteht darin die Frauen zu betreuen, indem ich mit ihnen Gespräche führe, sie von ihrem Leben und dem Leid, das sie erlebt haben, erzählen lasse.
Oft überwinden sie bald ihre Scheu und Scham, öffnen ihr Herz und dürfen weinen. Es tut ihnen gut über ihren Schmerz zu reden.
Die Gedanken der Frauen
Frauen sagen mir, es habe sich bisher noch niemand für ihr Leben interessiert oder, dass sie seit ihrer Kindheit in den Tempel gingen, jedoch noch keiner für sie gebetet habe. Und sie fragen mich, warum ich sie liebe.
Gottes Liebe als Antwort
An dieser Stelle darf ich dann von der Liebe Gottes erzählen, die ich in meinem Leben erfahren habe und wie sehr er jede Einzelne von ihnen auch liebt. Einen Gott der sie liebt, kennen die meisten nicht. Die Götter, die sie kennen verlangen Opfergaben und Furcht.
Ganz praktische Hilfe
Ich begleite Frauen und ihre Kinder ins Krankenhaus oder zu Ärzten, denn die meisten Frauen haben Angst alleine aus dem Haus zu gehen. Doch die vielen Krankenhausaufenthalte setzen mir leider immer wieder zu und ich muss gegen Übelkeit ankämpfen, denn der Gestank auf den Stationen und Gelände ist unerträglich.
Bilder, die ich nicht mehr los werde
Manche Bilder werde ich nicht mehr los, wie die Neugeborenen Klinik. Ich begleite eine Frau, die gerade eine Totgeburt im Center erlitten hatte. Sie wird in eine Halle gebracht wo bereits fünf weitere Frauen auf Metallliegen liegen. Ohne Abtrennwand oder einer Decke.
Eine Frau rechts von uns hat gerade ein Kind geboren, das viel zu klein ist. Es liegt zu Füßen der Mutter und man wartet bis es stirbt. Die Frau gegenüber bekommt eine Abtreibung und schreit fürchterlich, eine Andrere bekommt gerade ihr Kind. Für mich war es ein Albtraum das zu sehen und zu hören. Die Frauen werden Respekt- und würdelos behandelt, angeschrien und ins Gesicht geschlagen.
Es fiel mir unendlich schwer, das alles zu sehen und es auszuhalten zu müssen.
Aufklärung für die Frauen
Life for all gibt Seminare an Schulen und Colleges zur Aufklärung über Verhütung und den Wert des Lebens, der hier so gering ist. Abtreibung wird zu einer Art Familienplanung, wenn die Schwangerschaft gerade nicht passt. Für die Meisten ist das ungeborene Baby bis zur Geburt ein Gewebeklumpen, dessen man sich entledigen kann, wenn es in den persönlichen Zeitplan nicht passt.
Ich bin tief berührt
Vieles schockierte mich, anderes machte mich wütend oder traurig. Manches werde ich vielleicht nie wieder vergessen können.
Doch da sind auch die wunderschönen Begegnungen mit starken Frauen, die sich nicht unterkriegen lassen, trotz Vergewaltigung, Missbrauch, Ablehnung und Gewalt. Die wieder lachen und glücklich sind. Meistens sind es diese Frauen, die ihr Herz Gott, ihrem Schöpfer geöffnet haben und es zulassen, geheilt, geliebt und verändert zu werden.
Frauen und Kinder, die ich so sehr in mein Herz geschlossen habe, dass der Abschied weh tun wird. Es sind auch diese Erinnerungen, die ich vermutlich nie vergessen werde.
Was bleibt?
Ich habe in diesen drei Monaten in Indien nichts Großes bewegt oder
verändert und doch habe ich Samen streuen dürfen und die Menschen geliebt. Das Wachsen und Gedeihen liegt in Gottes Hand. Im Vertrauen auf Gott in Bewegung zu bleiben und den Menschen neben mir zu sehen, hat auch mein Herz verändert.
Es geht nicht darum, große Dinge zu tun, sondern viele Kleine mit großer Liebe.“ -Mutter Teresa
Seid gesegnet
Nelli Seidel
Spendenmöglichkeit für den Einsatz in Indien, mit Spendenbescheinigung: FeG Rheinbach, IBAN: DE06 4526 0475 0000 3092 02 BIC: GENODEM1BFG, Verwendungszeck „Nelli goes to India“.