Die Filipinos lachen, weil sie kein Geld für einen Therapeuten haben.
Dieser Satz hängt mir in Gedanken nach.
In meinem vorherigen Blogpost habe ich euch beschrieben, dass mir selbst in den dreckigsten Ecken des Slums strahlende Gesichter begegnen. In diesem Beitrag bin ich auch schon darauf eingegangen, das für mich mehr hinter dem Lachen der Filipinos steckt als Verdrängung.
Filipinos lachen, weil sie sich keinen Therapeuten leisten können?!
Ich bin Psychologin und fühle mich angesprochen. Seit ich hier bin mache ich mir Gedanken, wie ich psychologische Hilfe leisten kann. In einem Zeitraum von 5 Monaten ohne Sprache, Kultur und Menschen wirklich zu verstehen, ist das ziemlich schwierig.
Das Schreiben, wie ich es mir überlegt habe, scheint mir hier wenig sinnvoll zu sein. Mir wurde gesagt, Filipinos schreiben nicht gerne. Besonders den Menschen aus den Slums mit gar keiner oder verspäteter Schulbildung, fällt es schwer zu schreiben. Zudem sind sie nicht gerade diszipliniert und strukturiert. Beim Schreiben über traumatische Ereignisse ist es sehr wichtig mindestens 4 Wochen lang darüber zu schreiben. Schreibt man nur einmal, wühlt man die Erfahrungen nur auf, verarbeitet sie aber nicht. Dies führt dazu, dass die Belastungssymptome schlimmer werden. Das möchte ich nicht riskieren!
Gerade lebe ich mit Opfer eines Brandes in einem Evakuierungszentrum zusammen. Ich möchte ihnen mehr schenken als meine Aufmerksamkeit, die auch sehr heilsam sein kann.
Maltherapie
Eins habe ich beobachtet: die Menschen schreiben vielleicht nicht gerne, aber sie lieben es zu malen. Ob Kind oder Erwachsener, ob Mann oder Frau. Nahezu jeder hat sich schon mit an den Tisch gesetzt, wenn ich die Malsachen ausgepackt habe. Besonders bei den jungen Männern begeistert es mich, wenn sie plötzlich in großer Liebe zum Detail richtig schöne Bilder malen.
Thom, der Founder von IKP, durfte in den knapp 6 Jahren, die er hier auf den Philippinen lebt, einiges lernen. Unter anderem hat er ein Seminar für Maltherapie belegt. Dieses sogenannte psychosocial processing oder auch Debriefing forciert den Ausdruck belastender Emotionen, die mit einem traumatischen Ereignis einher gehen.
Durchführung
Die Bedingungen waren natürlich nicht so, wie wir es an der Uni lernen würden.
Wir saßen auf dem Boden im Eingangsbereich des Hauses. Es war laut. Ständig kamen kleine Kinder oder Eltern dazu. Von Draußen kam laute Musik. Wir haben versucht uns mit klassischer Musik ein wenig unsere eigene Welt zu schaffen.
Zur Einstimmung ließen wir die Kinder verschiedenen Linien malen (grade, krumme, hüpfende, lachende, traurige, betende…).
Anschließend sollten sie das schönste Erlebnis ihres Lebens malen. Planmäßig wäre danach das traurigste Erlebnis dran gewesen und anschließend ein Ausblick in die Zukunft („was wünscht du dir von der Zukunft?“).
„Komischerweise“ haben die Kinder als schönstes Erlebnis alle ihr altes Haus und ihre Familie gemalt.
Als sie erzählen sollten, was sie gemalt haben, entwickelte sich das Gespräch ganz schnell zum Brand hin. Es wurde erzählt, wie sie das Feuer bemerkt haben und welche Tiere verbrannt sind.
Wir haben uns entschieden, sie nicht noch den Brand malen zu lassen. Vielleicht holen wir das an einem anderen Tag nach. Stattdessen haben wir gefragt, wofür sie dankbar sind. Dadurch wollten wir wieder eine positive Atmosphäre und ein Ausblick in die Zukunft schaffen.
„Dass meine Familie noch lebt.“, „Dass wir noch ein Huhn haben.“, „Dass wir hier im Center sein dürfen.“
Wir haben uns in einen Kreis gestellt, an den Händen gehalten und Gott für dieses Leben und seine Hilfe gedankt. Anschließend haben wir noch ein paar Lieder gesungen.

Jey Muel erzählt von seinen Erlebnissen beim Brand

Die schönsten Erlebnisse der Kinder: Häuser, die sie beim Brand verloren haben.
Es war spannend zu hören wie und was die Kinder erzählten. Auch wenn ich nicht jedes Wort verstanden habe, konnte ich etwas folgen. Nicht zuletzt durch den Klang ihrer Stimme. Dadurch, dass die Menschen hier alle dasselbe erlebt haben, verstehen sie sich.
Und ich finde, sie gehen erstaunlich gut mit ihrem Verlust um. Sie lassen sich nicht entmutigen. Sie stehen einfach wieder auf und fangen von Vorne an.
Nach einem Monat haben schon einige Familien das Evakuierungscentrum verlassen und sind zurück an denselben Ort gezogen, wo ihre alte Hütte stand. Sie haben eine neue gebaut, die nach und nach erweitert und ausgebessert wird (sobald neues Geld da ist).
Ich werde sie mit Sicherheit demnächst in ihren Hütten besuchen gehen.
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