Was mache ich mit meiner Zeit?
Ich sitze in der Bahn und bin vom leisen Rauschen und Rattern des Zuges ganz besudelt. Endlich habe ich mal wieder Zeit zum durchatmen.
In drei Tagen werde ich zu einem Praktikum am Bodensee aufbrechen. Die verbleibenden drei Tage werden genutzt, um Dinge abzuarbeiten, die sich in der Klausurenphase aufgestaut haben. Die meisten dieser Punkte sind schöne Punkte, aber eben doch Dinge, die erledigt werden müssen, und in die Zeit und Kraft investiert werden müssen.
Während ich beim Ruckeln des Zuges über meinen straffen Zeitplan nachdenke, werde ich immer wieder von Haltedurchsagen aus meinen Gedanken gerissen und spüre nach einer Zeit, dass der Vordersitz unangenehm gegen mein Knie drückt.
Ja, auch innerlich verspüre ich Druck.
Ich glaube, dass ich mir diesen Druck oft selber mache. Geht es dir auch manchmal so?
Kennst Du das, wenn deine To-Do-Liste immer länger wird und Du nicht genau weißt, wie du mit den Erledigungen hinterher kommen sollst?
Demnächst werde ich über eine wunderbare Methode zum besseren Zeitmanagement schreiben.
Heute jedoch schreibe ich über die To-Do-Liste an sich:
Wie füllen wir unsere Zeit?
Wie sieht deine To-Do-Liste aus? Was steht drauf?
Sind es Dinge, die es dir wert sind, Zeit und Kraft zu investieren?
Lässt Du dich von den Aufgaben des Alltags hin und her werfen? Oder verfolgst Du mit diesen Punkten langfristige Ziele?
Langfristige Ziele bieten den Vorteil, dass du einen Weg hast, den Du gehen willst. Du kannst deinem Ziel Schritt für Schritt näher kommen. Das motiviert. Dir sollte jedoch bewusst sein, dass diese Vorstellung des Weges langfristiger Ziele nur eine Vorstellung, eine Vision oder ein leiser Hauch ist. Er kann sich immer wieder ändern.
Verläuft der Weg nicht so, wie Du es dir vorgestellt hast, ist das kein Problem. Umwege sind kein Fehler, sie bieten dir die Möglichkeit, mehr zu erleben, als du geplant hast. Setze dir Ziele, verfolge diese, aber räume Abweichungsmöglichkeiten ein.
Wenn wir unsere To-Do-Liste oder unseren Kalender betrachten, sehen wir recht anschaulich, mit welchen Dingen wir unsere Zeit füllen – meistens überfüllen.
Stress durch Überfüllung
Stress kommt laut des Psychologen Lazarus daher, dass wir vor einer Situation stehen, der wir uns nicht gewachsen fühlen. Hierbei unterscheidet Lazarus zwischen Eustress und Distress. Eustress ist positiver Stress, Freizeitstress, dem wir uns freiwillig aussetzen. Dieser Eustress ist jedoch auch Stress, der uns zu viel werden kann. Distress wird als negativer Stress verstanden, der aufgrund von Aufgaben entsteht, die uns überfordern. Sowohl bei Eustress als auch bei Distress sehen wir uns einer Situation gegenüber, die wir zu bewältigen haben. Dabei gehen wir verschiedene Überlegungen in unserem Kopf durch:
Persönliche Relevanz
Zunächst entscheiden wir laut Lazarus: Ist diese Situation für mich persönlich relevant oder nicht?
Wenn sie es nicht ist, bleiben wir ganz entspannt. Beispielsweise, wenn es darum geht, ob Dortmund oder Leverkusen gewinnt. Mir persönlich ist das schnurzpiep egal und löst deswegen überhaupt keinen Stress in mir aus.
Bist du allerdings Thomas Tuschel, Trainer von Dortmund, sollte es dir überhaupt nicht egal sein. Die Überlegung, ob diese Entscheidung für dich persönlich relevant ist, fällt positiv aus:
„Ja, es ist mir wichtig, dass meine Mannschaft gewinnt!“ Lautet die Antwort auf die Frage, ob diese Situation relevant für dich ist.
Wenn die Frage der persönlichen Relevanz positiv beantwortet wird, folgt sogleich die zweite Frage:
Fähigkeit
Bin ich in der Lage, diese Situation zu meistern?
Hat der Trainer seine Mannschaft so gut vorbereitet, dass sie das Spiel gewinnen kann?
Lautet die Antwort „ja“, ist alles in Ordnung; lautet die Antwort jedoch „nein“, bricht Stress aus, denn du steckst in einer für dich relevanten Situation, der du dich nicht gewachsen fühlst.
Manchmal können wir diese Frage nicht eindeutig mit „ja“ oder „nein“ beantworten – auch dann bricht Stress aus, denn wir sind uns nicht sicher, ob wir die Situation meistern können. Bei einem Fußballspiel beispielsweise kann man meistens nicht genau sagen, ob man dem Gegner überlegen ist, sodass für beide Mannschaften eine moderate Stresssituation entsteht.
Nun zurück zum wahren Leben, denn ich glaube nicht, dass der Thomas Tuschel das hier liest. Für uns Normalsterbliche bedeutet das:
Haben wir eine Aufgabe zu erledigen, beispielsweise einkaufen gehen, löst das noch lange keinen Stress aus, denn wir sehen uns der Aufgabe gewachsen– meistens jedenfalls. Haben wir jedoch eine To-Do-Liste, die wie der Turm von Babel gen Himmel zu reichen droht, fühlen wir uns meist nicht in der Lage, diese Aufgaben angemessen zu erledigen. Wir schätzen unsere Kompetenzen, sei es auch nur aus zeitlichen Gründen, als nicht ausreichend ein, was zu Stress führt.
Diese Ausführung über den Auslöser von Stress nach Lazarus verdeutlicht also, dass, wann immer wir Stress empfinden, wir uns überfordert fühlen. Bei einem Fußballspiel ist das gar nichts schlechtes, man braucht einen gewissen Ansporn, um gute Leistung zu zeigen und sich weiter zu entwickeln. Dieser Stress während eines Spiels ist zeitlich begrenzt, und wird kräftig belohnt.
Wenn der Stress jedoch zeitlich zu lange überdauert
Fühlen wir uns jedoch von einer zu langen To-Do-Liste überfordert, ist dieser Stress oft nicht zeitlich begrenzt und geht von einer Phase in die nächste über. Wie schon beschrieben, komme ich aus einer extrem stressigen Klausurenphase, habe 3 Tage zum abhacken der wichtigsten Aufgaben und werde anschließend 6 Wochen Praktikum machen, worauf direkt das nächste Semester folgt. Wann wieder Ruhe einkehrt und die To-Do-Liste sich nicht wie ein Reptil selbstständig erneuert, ist nicht abzusehen. Das heißt, mein Stress ist nicht zeitlich begrenzt, sondern ganz schön langwierig. Und genau das ist das Gefährliche – das, was krank macht. Ich bin ständig angespannt, auf Trapp und innerlich rödelnd.
Durch den überdauernden Stress schüttet unser Körper zu viel Kortisol aus, was auf Dauer unser Immunsystem schwächt. Hast Du schon bemerkt, dass du nach einer längeren Stressphase meistens krank wirst? Oder dich gefragt, wieso du immer im Urlaub oder am Wochenende krank wirst? Vereinfacht ausgedrückt führt Stress dazu, dass unser Immunsystem sich auspowert, damit wir die Stressphase überstehen. Danach ist es dann so geschwächt, dass wir krank werden, sobald wir uns wieder entspannen können.
Würden wir uns stattdessen zwischendurch etwas Entspannung gönnen, würde das Kortisol in unserem Körper abgebaut werden, und unser Immunsystem und Herz-Kreislauf nicht so überfordert sein.
Gerade in stressigen Phasen sollten wir weiter Sport treiben, beten und meditieren, durchatmen, Freunde treffen und Zeiten haben, in denen wir die Gedanken abschalten können.
Strategien um mit einer langen To-Do-Liste fertig zu werden, folgen nächste Woche.
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Hallo Julia,
danke für den tollen Artikel 🙂 Zu der Einsicht, dass Pausen wichtig sind, bin ich heute auch gekommen. Und das nach 5,5 Jahren Studium. x) Irgendwie ist es total leicht, in das Hamsterrad der Leistung zu geraten, aber wenn es sich zu schnell dreht, ist aussteigen nicht so einfach. Aber ich mache es jetzt, Punkt. 😀
Deinen Artikel in der bedacht fand ich dazu auch sehr hilfreich!
LG von einer bedacht-Schreibkollegin (S.16) 😉
Anne
Hallo Anne,
vielen Dank für deinen lieben Kommentar. Wie schön, dass Du dich als Bedacht-Schreiberin meldest.
Ja, Pausen sind sehr wichtig. Wir müssen ja alle immer wieder auftanken.
Ganz liebe Grüße und viel segen beim Halt-machen,
Julia